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Übersetzung von I. Mose 18Und Jahwe erschien ihm bei der Terebinthe Mamre, während er am Eingang seines Zeltes sass, als der Tag am heissesten war. 2. Wie er nun seine Augen erhob und sich umschaute, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Sobald er sie sah, eilte er ihnen vom Eingang seines Zeltes entgegen, verneigte sich zur Erde 3. und sprach: Mein Herr, habe ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so gehe doch nicht an deinem Knechte vorüber. 4. Man soll ein wenig Wasser bringen, dass ihr euch die Füsse waschet, dann lagert euch unter dem Baume, 5. und ich will einen Bissen Brot holen, dass ihr euch erlabet; darnach mögt ihr weiterziehen. Ihr seid nun einmal bei eurem Knecht vorbeigekommen. Sie sprachen: Du magst tun, wie du gesagt hast. 6. Nun eilte Abraham ins Zelt zu Sara und sprach: Nimm schnell drei Mass Mehl! Knete es und backe Kuchen! 7. Auch zu den Rindern lief Abraham, holte ein zartes, schönes Kalb und gab es dem Knechte; der rüstete es eilends zu. 8. Dann nahm er Sauermilch und frische Milch und das Kalb, das er gerüstet hatte, und setzte es ihnen vor; er selbst aber wartete ihnen auf unter dem Baume, und sie assen. 9. Da sprachen sie zu ihm: Wo ist dein Weib Sara? Er antwortete: Da drinnen im Zelte. 10. Da sprach er: Ich werde wieder zu dir kommen übers Jahr um diese Zeit; dann hat dein Weib Sara einen Sohn. Sara aber hörte zu am Eingang des Zeltes hinter ihm. 1. Abraham und seine GästeErste Mose 18,1-9 In I. Mose 18 wird eine Theophanie geschildert. Nüchtern erscheint Jahwe bei der Therebinthe Mamre vor einem Mann V. (1a). Es wird bloss berichtet, dass "er" zur Mittagszeit vor dem Zelte sass (V. 1b). Wer der Mann ist, wird nicht gesagt. Vers 1 beschreibt die Situation, in der sich nun ein Ereignis entfaltet:
Aufschauend sah er die drei Männer, die plötzlich vor ihm standen. Wer waren die Männer?
"Er" rannte zu ihnen und warf sich auf den Boden und begrüsste sie mit "Adonaj". Adon heisst "Herr", "Gebieter", "Ehrwürden". "Adonaj" plural "meine Herren", was zu den drei angesprochenen Fremden passt. Doch "Adonaj" ist zur Zeit des Erzählers (ca. 4. Jh. v. Chr.) auch feste Bezeichnung für Jahwe. Die Anrede "adonaj" kann also einerseits die drei Fremde meinen, andererseits Jahwe, der einzige Gott Israels. Der Autor von I. Mose 18 scheint eine Vorlage zu benutzen, in der ursprünglich vom unerwarteten Besuch von Fremden handelt und daraus nun die Geschichte einer Gottesbegnung machte. Aber wie kommt es, dass "er" in den drei plötzlich dastehenden Männern seinen Gott Jahwe sieht? "Er" sitzt in glühender Mittagshitze vor seinem Zelt, fängt an zu dösen und schon beginnen sich Traum und Wirklichkeit zu verweben. In diesem Dämmerzustand schaut er auf und sieht drei Männer nahen (3). Die arabische Gastfreundschaft verbietet es ihm, die Fremden hungrig und durstig in der Gluthitze stehen zu lassen. Doch der Willkommensgruss ist merkwürdig. Er sagt:
Es ist Mittagszeit, die Sonne steht hoch oben am Himmel, die Hitze ist gross – Eine gefährliche Zeit. Dies zeigt sich in einem anderen Beispiel, nämlich I. Könige 18,21-40: In dieser Geschichte stand Elia mit 40 Baalspropheten zur Mittagszeit auf dem Berg Karmel, um zu opfern. Zuerst sollen die Baalspropheten ihren Gott bitten, die geschlachteten Stiere zu verspeisen. Doch nichts geschah. Da rief Elia Jahwe an:
Doch es blieb
nicht bei den Stieropfern, sondern Elia, als Prophet Jahwes tötete alle
Baalspropheten. In unserer Erzählung, I. Mose 18 wirft sich Abraham in grosser Furcht sogleich zu Boden, er weiss um die Gefahr, die von den Fremden ausgeht. Schauen wir in der Konkordanz den Begriff "vorübergehen (abr)" durch, dann ist die Bedrohung von den Vorüberziehenden ausgeht, in den Mose-Büchern auffällig:
Beispielhaft ist V. Mose 2. Das Kapitel ist mit "Zug durch die Wüste bis zum Sieg über Sihon" betitelt. "Vorüberziehen" (abr) kommt gehäuft vor (V. 2.4.8(2x).13(2x).14.18.24.27. 28.29) vor: Zunächst sollen die Israeliten durch das Gebiet Seir ziehen, das den Söhnen Esaus gehört. Der Befehl Jahwes lautet:
Schonung erfahren auch die Moabiter, die ihrerseits die Ureinwohner vertrieben haben (V. 8-15) und das Land, das den Söhnen Lots gehört. Jahwe hatte eigenhändig die Riesen, die im Reich Lots gewohnt hatten (V. 16-25 ), vernichtet.
Nun folgt die Aufforderung Jahwes an die Israeliten, die Wüste Kedemot zu durchqueren:
Eine friedliche Botschaft wird an den König Sihon von Heschbon gesandt: Man wolle nur auf der Strasse das Gebiet durchqueren und das Essen mit Geld kaufen. Doch Jahwe persönlich verstockt das Herz des Königs, der Krieg bricht aus und die Israeliten töten Männer, Frauen und Kinder. "Nur das Vieh raubten wir für uns und die Beute aus den Städten, die wir eingenommen hatten" (V. Mose 2,34-35). Heute nennt man ein solch grausames und habgieriges Ereignis Völkermord. Völkermord, welcher durch Gott tatkräftig unterstützt und legitimiert wird. Dieser dunkle Aspekt ist aber nicht nur ein längst vergangenes Ereignis sondern gehört zum unbewussten Grundmuster der menschlichen Seele. Und so wiederholen sich solche Ereignisse, bildet eine Blutspur bis in die jüngste Zeit. Die Ambivalenz ist in unserem Gottesbild begründet, das individuell jeden, Frauen, Kinder und den Fremden, der unter ihnen weilt schützt, andererseits kollektiv immer wieder eine archaische Zerstörungswut hervorbricht im Glauben das Richtige zu wollen und zu tun. Das Bedrohliche, das in unserer Erzählung I. Mose 18 durch das Verhalten Abrahams erahnt wird, kommt dann explizit im nächsten Kapiteln I. Mose 19 zum Ausdruck: Nach dem Mahl:
Aufgrund ihrer Sünden werden die Bewohner von Sodom und Gomorrha vernichtet. Dieses Vernichtung wird über Nacht vorbereitet und erfolgt mit dem ersten Sonnenstrahl:
Erster Mose 18 und 19 zeigt die Ambivalenz Gottes: Geht Jahwe an Abraham vorübergeht, dann geht der Kinderwunsch in Erfüllung, schaut Gott beim Vorbeigehen auf Sodom und Gomorrha, so bedeutet dies der Untergang für die beiden Städte. Man mag nun einwenden, die Bewohner Sodoms und Gomorrha seien sündige Menschen gewesen:
Und deshalb wurden die Städte zerstört? Lassen wir die Frage vorerst stehen und kommen zum Begriff "eilen" (mhr/ruz), das in I. Mose 18,1-8 gehäuft vorkommt: "Abraham eilt (ruz, hif.) den Fremden entgegen" (V. 2), Abraham eilt (mhr, pi) ins Zelt zu Sara (V. 6), um ihr zu sagen, sie solle eiligst Kuchen backen (mhr, V. 6). "Abraham holt eilends (ruz) ein Kalb" (V.7), "der Knecht rüstet es eilends (mhr) zu (V. 7). Das Motiv "eilen" lässt neben "vorübergehen" an die Sonne als Gottheit zur mittäglichen Zeit denken, die sich zwischen 11 und 14 Uhr dem Abraham offenbart. Die drei Fremden entsprechen am ehesten als Repräsentanten von Sonnenstrahlen, die bis auf die Erde reichen und an Gottes Statt handeln. In Gen. 18 hat die Sonne ihren höchsten Stand erreicht. Im Alten Orient gilt die Mittagszeit als Kulminationspunkt der kosmischen Krise, die auch eine Gefährdung der Sonne mit einschliesst. Die die gesamte Seins-Dimension des Lebens betreffende Gefahr wird als Hungersnot, Seuche, Krankheit, Schlangenbiss, Aufruhr, Krieg und anderes erlebt. In dieser Krise wird nach Gen. 18 aber auch "das Neue", "der Sohn" "verheissen". Doch gehen wir "mhr" in der Konkordanz durch. 2. Der Begriff mhr2.1. Mhr piel im deuteronomistisch-jahwistischen Geschichtswerk
In Exodus 12,33 drängen die Ägypter die Israeliten schnell (mhr) aus dem Land mit der Begründung:
Es ist die Furcht der Ägypter vor der Bestrafung Jahwes. In Exodus 32 befiehlt Jahwe Mose, eilends (mhr) den Berg hinunterzugehen, um sich die Bosheit des Volkes anzusehen (II. Mose 32,7). Ähnlich wie die drei Männer über Sodom und Gomorrha sieht Mose hier das unmoralische Treiben des Volkes und gerät in glühenden Zorn (V. 10). Und wie Abraham in I. Mose 18,16ff. bittet hier Mose Gott um Erbarmen für das Volk (II. Mose 32,11). In V. Buch Mose wird mhr im Zusammenhang mit Jahwe in erster Linie destruktiv verwendet im Sinne von "Jahwe der schnelle Vertilger seines halsstarrigen Volkes Israel" (V. Mose 4,26) oder "Jahwe bestraft feindliche Völker durch die Israeliten" (V. Mose 7,4.22). Das Motiv "eilig" wird im V. Buch Mose auch im moralisch negativen Sinn verwendet:
Die in V. Mose erwähnten Stellen handeln alle vom Volk Israel, das von Gott geleitet in der Wüste herumirrt, "der Weg, den euch Jahwe geboten hatte. Das schnelle Abweichen vom "Wege Jahwes" provoziert ebenso geschwind den "glühenden Zorn Jahwes" gegen sein Volk. "Eile" (mhr) kann auch in eine andere Richtung zielen, in die Richtung der Verweigerung: So lässt Jahwe, wegen dem Ungehorsam seines Volkes die Fremdvölker im Lande
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Ägyptische Wandmalerei in dem Grab des Chnumhotep bei Beni-Hassan Kopiert aus "Vom Paradies bis Golgatha" von Nelson Beecher Keyes |
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Der Destruktionswille, welcher in den Erzählungen der Wüstenwanderung geradezu glorifiziert beschrieben wird, stellt symbolisch eine Inflation dar, die Inflation des Lichtes in Gestalt eines Sonnengottes. Doch die Gestalt des Sonnengottes ist durch das Bilderverbot "entmythologisiert". Die göttliche Gestalt kommt nur noch in seinem Charakter, im glühender Zorn, zum Ausdruck. Der Weg ist nicht mehr der tägliche Sonnenlauf sondern der Weg, den Jahwe sein Volk machen lässt. Als Vollstrecker seiner Befehle tritt Mose. |
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Unter dem Stichwort mhr (piel) (V. 5) finden wir in Josua 2, in der Geschichte der Kundschafter bei der Dirne Rahab in Jericho. Die Frau versteckt die Spione, während sie die städtischen Soldaten zur Verfolgung aussendet. Am darauf folgenden frühen Morgen wird die Stadt von den herbeieilenden Israeliten zerstört (Jos. 8, mhr in V. 14.19). Hier erfolgt die Zerstörung der Stadt nicht durch den dämonischen Gott Jahwe sondern durch dessen Anhänger. Und was auffällt, für die Zerstörung Jerichos wird nicht einmal einen moralischer Grund angegeben (Jos. 4, mhr in V. 10). In der Simson-Geschichte (Richter 13) kommt mhr (piel) wie in I. Mose 18,1-16a im Zusammenhang einer göttlichen Verheissung vor: In V. 10 hat es nicht ein Mann eilig, sondern eine Frau, die Frau des Manoah. Ihr wird wie der Sara von einem Unbekannten, hier ausdrücklich ein Bote Gottes, einen Sohn, Simson (kleine Sonne) verheissen. Simson hat Züge, die wir beim herumziehenden Jahwe gefunden haben: Simson zerstört aus Zorn die feindlichen Felder, weil er seine Braut nicht findet (Ri. 15). In tiefer Nacht verrät ihn seine Geliebte (Ri. 16,4-21) im Gegensatz zu Rahab in Jericho, und zuletzt zerstört er die Stadt der Philister (Ri. 16,23-30). In der Figur Simsons wird der Vollzug des Sonnenmythus vom göttlichen Ich zum menschlichen Ich konsequent vollzogen. So schreibt H. W. Hertzberg etwas gar harmlos:
Um die Gestalt David ranken sich die nun bekannten Motive individualisiert: Unter dem Stichwort mhr (piel) und im Hinblick auf unseren Text I. Mose 18 ist die Geschichte David und Abigail besonders interessant: David hütet ungefragt die Herden Nabals. Dieser will ihm aber keinen Lohn zahlen, worauf David nach dessen Leben und Gut trachtet. Da kommt Abigail, die Hausherrin, mit reichen Geschenken David schnell entgegen (I. Sam. 25, mhr in V. 18.23.34.42). David dankte Gott für die Klugheit Abigails und sagte zu ihr:
David nimmt Abigail zu seiner Frau und sie bekommt von ihm einen Sohn (I. Sam. 25,42f). Die Motive dieser Erzählung sind ganz ähnlich wie in I. Mose 18 und 19: David zerstört seinen Widersacher am anderen Morgen und zeugt mit Abigail einen Sohn. Dass auch in I. Mose 18 ein Sohn gezeugt wird, darauf kommen wir noch. In der deuteronomistisch-jahristischen Literatur kommt mhr dreimal in Erzählungen von "wasserholenden Mädchen und Frauen" vor: I. Mose 24 versorgte Rebekka den Verwalter und seine Kamele mit frischem Wasser, dann eilte sie ins Haus ihrer Mutter Milka. In Ex. 2,11-22 kamen die sieben Töchter des Midianiter-Priesters Reguel zum Brunnen, auf dem Mose sass. Die sieben Mädchen wollten Wasser für die "Schafe ihres Vaters" schöpfen. Hirten jagten sie davon. Aber Mose erhob sich, half den sieben Töchtern, und tränkte ihre Schafe. Als sie nun zu ihrem Vater Reguel heimkamen, sprach er: Warum kommt ihr heute so bald (mhr pi) heim? Sie antworteten: Ein Ägypter hat uns gegen die Hirten geholfen; ja, er hat uns sogar Wasser geschöpft und die Schafe getränkt (Ex. 2,16-19). Darauf liess Reguel Mose kommen und gab ihm eine seiner Töchter, Zipporah, zur Frau. Die gebar ihm einen Sohn, den Mose Gersom (= Gast) nannte (V. 20-22). Nach I. Samuel 9 ist Saul mit seinem Knecht auf der Suche nach seinen beiden Eselinnen (V. 1-4). Nach langem Suchen entschlossen sie sich in die Stadt Zuph (V. 5) zu gehen, um den dortigen Seher nach dem Wege zu fragen (V. 8f.). Vor der Stadt eilten (mhr) ihnen Mädchen entgegen, "um Wasser zu schöpfen" (V. 11). Auffällig ist, dass Saul "in den Höhen auf dem Dach eines Hauses übernachtete, um dann am Morgen zum "König von Israel" ausgerufen zu werden. Im Vergleich: Absalom ging auf dem "Dach des Palastes" vor allem Volk zu den "Nebenfrauen" Davids, um sich als neuer König zu legitimieren (II. 16.21ff). In Josua 2 versteckt Rahab die beiden Kundschafter nicht im Keller oder sonst in einem Verliess sondern auf dem Dach (V. 6), wo sie übernachten. Nach dieser Erzählung sind die beiden Männer zwar bloss israelitische Kundschafter, aber der Anspruch ist klar, die Stadt gehört Jahwe und er zerstört sie. 2.2. Mhr (eilen) bei Jesaja und DeuterojesajaJesaja 8,1-4
Der Sohn Jesajas wird mit seinem Namen zum Träger der assyrischen Gefahr. Bald darauf wird das assyrische Militär Damaskus und Samaria zerstören. Nach prophetischem Spruch ist die Zerstörung als Strafe Gottes für den Mangel an Glauben zu verstehen. Wenn also "Assur als Antichrist und satanische Widersacher" erscheint, wie dies Hugo Gressmann schreibt, so ist dieser Aspekt in Jahwe selber enthalten. So schreibt O. H. Steck:
Das Destruktive ist ein Aspekt Gottes, das sich verwirklichen will. Dabei ist Verstockung eines Volkes oder die moralische Begründung der Katastrophe nur ein Mittel, um diesen destruktiven göttlichen Aspekt erträglich zu machen. Bei Jesaja wird aber im Krieg und in der Zerstörung der Gegenpol sichtbar, so nennt er eines seiner Kinder "ein Rest kehrt um", das Verheissung zum Frieden und zum Heil verkündet. Bei Deuterojesaja nimmt nach vollzogenem Gericht Frieden und Heil konkrete Gestalt an.
In Jesaja 49,14-20 ist "Zion" in verschiedenen Bildern vorgestellt: "Zion" die "göttliche Ehefrau", "die Braut", "die Stadt", aber auch "die Kinderlose" und "die Mutter". Mit diesen Bildern sind verschiedene Motive verknüpft: "die von ihrem "Ehemann" verlassene "Ehefrau", "Zion" ist die verwüstete Stadt mit niedergerissenen Mauern. In einer Zukunftsvision sieht der Prophet Zion als "umgürtet mit ihren Eroberern und Verwüstern wie eine Braut" (Jes. 49,18). Weiter ist "Zion" die Kinderlose, die trotz ihrer Unfruchtbarkeit Kinder bekommt (V. 20). In Jesaja 51 erscheint Jahwe als Drachentöter und Retter des Glaubenden:
Den Psalmen ähnlich gilt hier Gott als Bezwinger des Urmeeres (Jesaja 51,9-11), als Tröster und Retter des Widersachers. Jahwe ist hier nicht mehr der Dämon, der das Herz der Feinde verstockt, den Sünder straft oder Länder versengt. Jesaja 59,7: Gott überwindet die Sünde seines Volkes:
Jesaja 59 stammt einer Interessensgemeinschaft im frühen 5. Jahrhundert vor Chr. Hier wird Blut vergiessen, Unheilswerke und Frevel als Tat des Menschen verstanden, als Sünde des Menschen, dem Jahwe hilft. In Jeremia 48 wird der Untergang Moabs prophezeit:
Hier wird um Mitleid mit dem sterbenden Volk Moab gefleht. Die vollständige Zerstörung kommt von Jahwe, dem Verwüster, von dem es einige Verse vorher heisst:
Mitleid kommt nur im Wünsch "Gebt Moab Flügel, dass es auf und davon fliege!" zum Ausdruck, doch grundsätzlich wird auf die brutale Vernichtung dieses Volkes, denn Jahwe verflucht jeden, der sein Schwert vom Blute zurückhält! Mit gleicher Grausamkeit bestraft Jahwe Ägypten (Jeremia 46) und die Philister (Jeremia 47). Im Gegensatz zur deuteronomistisch-jahwistischen Geschichtsbüchern spielt hier in "den Weissagungen über fremde Völker (Jeremia 46-51)" die emotionale Komponente von Entsetzen und Mitleid eine Rolle. Im Klagelied eines Einzelnen wird in Psalm 69 Jahwe um Erlösung vor Schmach und Feinden angefleht.
Der Beter des Klagepsalms bittet tief verletzt Jahwe für den persönlichen Schutz und für das Verderben des Feindes:
Dieser im 5. Jh. v. Chr. entstandene Psalm offenbart unseren menschlichen Abgrund, den wir abzulegen bemüht sein sollten. Die meisten hier aufgearbeiteten mhr-Stellen vom Alten Testament zeigen die Gefahr, die von Jahwe oder seinen Anhängern im Zusammenhang mit "Eile" ausgeht. Nur selten ist von Errettung durch Gott die Rede. Nirgends aber kommt "Eile" so häufig vor wie in I. Mose 18. Es ist wie eine Beschwörung, wie, wenn man auf etwas nicht eingehen will, das in der Luft liegt. Diesem vibrierend Drohende kommen wir in der Frage "Wo ist dein Weib Sara?" näher. |
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3. Die VerheissungI. Mose 18,9-16a Die Autoren von I. - IV. Mose gehören zur selben theologischen Schule und werden kurz "der Jahwist" genannt. Sie lebten vermutlich in der Exiliszeit, doch gibt es auch Forscher, die sie in der hasmonäischen Zeit ansiedeln. "Der Jahwist" kannte die Theologie der vorexilischen Propheten und gilt heute als Nachfolgeschule der deuteronomisch-deuteronomistischen Tradition. Er entfaltet die beim Deuteronomisten keimenden Hoffnung auf den Neubeginn des Volkes Israel nach der Katastrophe der Zerstörung Jerusalems, welche die Deuteronomisten als Endgericht Jahwes verstanden. Der Jahwist seinerseits gestaltet das Motiv des Neubeginns in der Verheissung eines Sohnes, aus dem ein riesiges Volk entstehen soll. Dabei kann er auf Jesaja zurückgreifen und dessen Spruch:
In I. Mose 18,9-16a ist Sarah unfruchtbar. Das Motiv "Unfruchtbarkeit" ist in der Bibel gut belegt: Rebekka (I. Mose. 25,21) Rahel (Gen. 29,31), Hannah (I. Sam. 1,6; 2,21 pqd) und Elisabeth (Luk. 1,7) sind unfruchtbar. In I. Mose 16 und Richter 13 begegnen Frauen einem Numen oder dem Boten Gottes und werden schwanger, genauso wie Maria in Lukas 1,26. In diesen Stellen wird der betreffenden Frau ein Kind verheissen. Und so ist es auch in unserem Text, I. Mose 18: Drei Fremde sitzen essend und trinkend unter dem Baum, während Abraham vor Furcht auf dem Boden kriecht. Und dann fragt einer der Gesättigten unvermittelt: Wo ist deine Frau (V. 9)? Also man muss schon recht naiv oder vom religiösen Eifer verblendet sein, um nicht das Begehren des Fragenden zu erkennen. 3.1. Sarah lachtDass es in I. Mose 18,10 ursprünglich nicht um eine Verheissung sondern um die Zeugung geht, dafür gibt es mehrere Indizien. Zu I. Mose 18,9-16a müssen wir I. Mose 21,1-7 heranziehen, denn diese Notiz ist der eigentliche Schluss unseres Textes. Betrachten wir einmal den Namen des Neugeborenen "Jizhaq" in I. Mose 21,3-7:
Der wichtige Satz hier ist: "Da sprach Sarah: Ein Lachen hat mir Gott bereitet! Lachen wird mit dem hebräischen Ausdruck Zhq ausgedrückt. Zhq ist im Alten Testament selten. Bezeichnend ist, dass zhq ausser an zwei Stellen (Ezechiel 23,32 und Richter 16,25) nur beim Jahwisten vorkommt und gehäuft in unserem Text I. Mose 18,12-15 und I. Mose 21,6. Der Jahwist benutzt in der Abrahamserzählungen zhq für "lachen" (I. Mose 17,17 oder I. Mose 21,9). Nicht eindeutig ist zdq in I. Mose 26,8 verwendet, dort schaut Abimelech, der König der Philister bei Isaak zum Fenster hinein und sah ihn mit Rebekka zusammen. Was die beiden tun, wird mit zhq bezeichnet. Die Züricher Bibel übersetzt die Handlung der beiden als "kosen", in der Luther Bibel steht:
Isaak hatte nicht gesagt, dass Rebekka seine Frau ist, damit er nicht sterbe. Abimelech erschrickt mit der Begründung:
Die beiden Motive "kosen" und "zu jemanden liegen" kommt dann explizit in I. Mose 39,14-17 vor.
Ambivalent wird zdq in II. Mose 32,6 gebraucht:
In der Züricher Bibel wird zhq mit "belustigen" übersetzt, die Luther-Bibel von 1984:
II. Mose 32 ist das Kapitel vom Goldene Kalb, das bei Amos im Zusammenhang einer sexuellen Orgie angeprangert wird. (vgl. Amos 3,14-15). Ich denke, aus diesen Stellen ergibt es sich, dass wenn es um Mann und Frau geht, "zu jemanden liegen" gemeint ist. So auch in I. Mose 21,7 "Da sprach Sarah: (Sexuelle) Lust hat mir Gott bereitet!" Dieser Eindruck wird bestärkt durch einen weiteren Begriff, pqd, der in I. Mose 21,1 vorkommt. 3,2. Pqd (sich jemanden annehmen, heimsuchen)In I. Mose 21,1 steht:
"Jahwe nimmt sich Sarah an" (pqd). Die Bedeutung von pqd ist umstritten, sie kreist um die Vorstellung von "vermissen", "sich kümmern" oder "mit Sorge bzw. Interesse auf/nach etwas/jemanden schauen". Theologisch kennen wir den Begriff pqd vor allem im negativen Sinne von "heimsuchen": Strafe Gottes aufgrund der Verfehlungen des Menschen. Bei Hosea finden wir eine Stelle, in der pqd im Sinne von "heimsuchen" genau dieselbe Situation wie in unserem Text, I. Mose 18,9-16a, beschreibt, allerdings im negativen Sinne:
Auffälliger kann die Ähnlichkeit beider Texte nicht sein: Hoseas Polemik richtet sich gegen das Volk, dass essend und trinkend unter jedem Baum Unzucht treibt. Demgegenüber beschreibt der Jahwist ein scheinbar heilvolles Ereignis: Drei Fremden sitzen schmausend unter einem Baum und fragen nach der Frau. Hosea 4,10-14 erscheint wie die Vorlage zur Gestaltung von I. Mose 18,9-16a mit gegensätzlicher Pointe: Bei Hosea vermehrt sich das Volk nicht trotz sexueller Vereinigung? Bei Sarah ist es gerade umgekehrt, bis zu dieser Offenbarung unter der Terepinthe ist sie nie schwanger geworden. Im Vergleich der beiden Texte kommt noch ein weiterer Unterschied zu Tage: Nach Hosea werden nicht die buhlenden Frauen und Mädchen "heimgesucht" (="bestraft"), sondern die verantwortlichen Männern, während in I. Mose 21,1 Jahwe sich persönlich der Sarah annimmt. Bei Amos sucht Jahwe sein Volk wegen dem Stierkult heim (pqd):
Diese Stelle ist II. Mose 32,6 ähnlich, wo das Volk unter dem Golden Kalb seiner Lust nachgeht (zhq). Bei Amos fallen die Begriffe "Winterhaus" und "Sommerhaus" auf. Diese Bezeichnungen gehören zum Doppelaspekt der Aschera (oder Atirat) als Al-Lat (= Sommerhaus) und Al-Ussah (= Winterhaus). Die Polemik des Propheten Amos trifft also nicht nur den Baal- sondern auch den Ascherah-Kult. Pqd als heilvolle Zuwendung kommt z.B. in Jer. 29,10 vor:
Hier ist die Vorstellung, dass Jahwe nach 70 Jahren Gefangenschaft im Exil dem Volk Israel Heil schafft. Auch diese 70 Jahren dürfte der Jahwist in der Verheissungsgeschichte aufgegriffen und neu interpretiert haben, denn Sarah und Abraham waren im hohen Alter, als sie den ersehnten Knaben erhalten. 3.3. Sarah im Zelt3.3.1 Das Zelt der MutterIn I. Mose 18 lagen die drei Fremden unter dem Baum, während Sara im Zelt verborgen kochte. Das beduinische Zelt im assyrisch-arabischen Raum war ein Spitzzelt bestehend aus einer Stange in der Mitte, um die herum Decken aus schwarzen Ziegenhaar hingen. Diese Zeltdecken wurden von den Beduinenfrauen verfertigt, und sie waren auch die Besitzerinnen der Zelte. Im Internet fand ich folgenden Artikel:
Ganz ähnlich schreibt Leo Frobenius über die Beduinen:
Im Alten Testament wird dies belegt in I. Mose 24,67; 31,33 und Richter 4,17. Die Autoren von I. - IV. Mose versuchen die Zelte als Besitz von Männern darzustellen. So ist z.B. die Notiz I. Mose 24,67 manipuliert. Deshalb sind sich Bibelübersetzer über den Satz nicht einig. Im Masoretentext steht, z.B.:
Und im hebräischen Text wird vorgeschlagen:
Die Züricher Bibel übersetzt:
Gerhard von Rad interpretiert diese Stelle in seinem Kommentar
Die Interpretation von Gerhard von Rad entspricht ganz der patriarchalen Mentalität der christlichen Theologen. Im Alten Testament ist Oholi-ab als einziger Zeltweber erwähnt: Er soll als Schmid, Zimmermann und Bundweber gewirkt haben (II. Mose 38.23). Von den Forschern gilt diese Stellen als sekundär vom priesterlichen Redaktor eingefügt. Was beim Namen Oholi'ab auffällt, ist die Ähnlichkeit mit dem Namen Oholi'ba. Oholiba ist der Namen, den der Prophet Ezechiel ein paar hundert Jahren vorher Jerusalem gab. Ein weiterer Name auf die Wurzel oholi…. ist in der priesterlichen Namensliste von I. Mose 36,1-14.25 zu finden, nämlich der Name Oholibama. Oholibama heisst die edomitische Stammmutter. Die Liste, in der der Name vorkommt, ist sehr alt, aber von den Priestern überarbeitet. Die Priester bereinigen Oholibama patrilinear, d.h. die Frau erhält einen Ehemann, den Esau, der so zum Stammvater der Edomiter wird. Doch Oholibama wird ein paar Verse vorher unabhängig von einem Mann als Stammmutter der Edomiter erwähnt (I. Mose 36,14). Dazu schreibt Robert von Ranka und Raphael Patai:
Der Name Oholibama setzt sich zusammen aus einer Pluralbildung von "Zelt" (Feminimum mit männlicher Pluralbildung) und Bama (Kulthöhe). Das Wort heisst also "Zelte der Kulthöhe". Dieser Name erinnert an die Polemik von Hosea, die wir oben zitiert haben. 3.3.2. Namen aus der Wurzel Ohel (Zelt)Interessant sind auch die Namen Oholiba und Ohola, die Ezechiel den Städten Jerusalem und Samaria gab. Sie sind zu übersetzen mit "mein Zelt ist in ihr" und "ihr gehört ein Zelt". Nach dem hebräischen Schulbuch von Hollenberg-Budde ist bei oholi-b-a das b als b pretii zu lesen und dann würde der Name "das Zelt für sie" heissen. Nach Eichrodth erinnern "Oholiba" und "Ohola" an kanaanäische Höhenheiligtümer, gegen die Ezechiel protestiert. Dabei knüpft der Prophet an die beduinische Tradition an. Wie andere Schriftpropheten übernimmt er Vorstellungen aus einer anderen Sozialstruktur, um die Missstände, die sexuellen Ausschweifungen in der eigenen patriarchalen Gesellschaft zu kritisieren. Ohola und Oholiba sind bei Ezechiel Königinnen, eigentliche Machtträgerinnen (Ez. 16,13). Historisch kennen wir solche Herrscherinnen aus den Anfängen des arabischen Reiches. Qedar, der wichtige Stamm im ismaelitischen Stämmebund wurde im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. von Königinnen regiert Eine Königsliste aus den assyrischen Annalen: |
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Zabibe, Königin von Qedar und Arabien |
um 738 vor Christus |
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Zunächst traten die Königinnen selber den Assyrern entgegen, dann wird die Königin durch ihrem Bruder NN vertreten. Dies geschah zur Zeit der Eroberungszüge der patriarchalen Assyrer, deren Grausamkeit sprichwörtlich war. 3.3.3. Die Assyrer und das Zelt der MutterEinen Eindruck ihrer Grausamkeit gibt die Analen von Assurbanipal, der im Namen der Göttin Isthar und zahlreichen anderen Göttern in die Schlachten zog:
Ein paar Seiten weiter hinten heisst es:
Auffallend ist der Umgang mit Frauen bei den Eroberungen. So schreibt Othmar Keel:
Meines Erachtens hat das damit zu tun, dass unter den arabischen Stämmen das mütterliche Zelt unantastbar war, ein sakraler Bereich. Wie ich mit meinen Recherchen um das Wort "Ascham" festgestellt habe, war jeder unerlaubte Übergriff auf das Zelt ein Sakrileg, das mit einem Ascham-Opfer gesühnt werden musste. Während die Städter dieselbe patriarchale Norm lebten wie die Assyrern, suchten die Soldaten mit der Eroberung der Beduinen auch deren matrizentristischen Struktur zu bezwingen. Sie zeigen damit die Verachtung für das matrizentrische System, in dem die Leistung der Männer von sekundärer Bedeutung sind. Wie ich in anderen Aufsätze zeige, ist das unterschwellige Problem des Alten Testaments die Anpassung des israelitischen Stammensverbandes an die patriarchale Norm der Kulturländer. Diese Anpassung begann Ende des 2. Jahrtausend vor Christus. Was wir von dem "israelitischen" Stämmeverband kennen, ist ihr gemeinsames Heiligtum, "aaron" genannt. Aaron wird viel später mit der "Bundeslade" gleichgesetzt. Ursprünglich dürfte es sich um die Sonnengöttin von Arinna handeln. Der alte "israelitische" Stammesverband übernahmen die Göttin von den hethitischen Fürsten, die im syrisch-kanaanäischen lebten. Durch die Übernahme der Göttin als Stämme übergreifende Göttin und patriarchale Übermutter begann sich die matrizentristische Struktur zu zersetzen. David holte Aaron um die Jahrtausendwende nach Jerusalem. Damit wurde diese Stadt zum Zentrum des Nordreiches. Die Sonnenattribute der Göttin von Arinna gingen an Jahwe über. Sie selber hat durch die Jahrhunderte gewisse Wandlungen durchgemacht, die einstige Stammesgöttin wurde immer mehr zur Todes- und Fruchtbarkeitsgöttin. 3.3.4 I. Mose 19 im Vergleich zu I. Samuel 1In I. Mose 18,8 sitzen die drei Fremden unter einem Baum, essen und trinken und fragen:
Alsbald standen die Drei auf und meinten:
In Mose 19 treten statt die drei Fremden zwei Engel auf. Diese kamen nach Sodom, wo sie von Lot begrüsst werden:
Bevor sie sich niederlegten, kamen die Männer von Sodom und verlangten nach den Besuchern. Lot verhandelte mit der Meute und bot den Männern anstelle der 2 Boten seine beiden Töchter an:
Die Boten schlugen die Bevölkerung mit Blindheit, sodass diese die Tür nicht fanden. Lot floh mit seiner Familie in der Nacht und Sodom wie Gomorrha wurden vor Sonnenaufgang zerstört. Also, die zweite Erzählung beginnt mit der göttlichen Bemerkung:
In I. Mose 18,1-18 begegneten wir einem Abraham, der in grosser Furcht und Eile die Fremden verköstigt. Nach seiner Pflicht des Gastgebers fragten die drei nach Sarah. Diese Situation entspricht derjenigen, die Hosea polemisch verwirft, hier wird sie mit dem Spruch der Verheissung idealisiert. Das Geschrei, das durchaus zur Furcht Abrahams und seines Clans passt, wird verdrängt und auf eine andere Situation projiziert, auf die Städte Sodom und Gomorrha, von denen Jahwe bereits im Voraus weiss, dass sie sündig sind. In der folgenden Nacht kommen die zu zwei Boten mutierten Fremden selber in eine ähnliche Situation wie Abraham am Mittag. Nur wird diese Situation als verwerflich beschrieben, als straffällige Tat, die auch subito geahndet wird (I. Mose, 19.24f. Dass darauf Lot mit seinen Töchtern Unzucht treibt, ist offenbar wieder von geringerem moralischen Interesse). Dieselbe Vorstellung von Moral und Unmoral in sexuellen Fragen kommt auch in I. Samuel 1 zur Sprache: Elkana aus dem Gebirge Ephraim zog Jahr für Jahr mit seinen beiden Frauen Peninna und Hannah nach Silo zum Heiligtum, um zu beten und zu opfern. Peninna war Mutter vieler Kinder, Hanna war unfruchtbar. Als sich die ganze Familie wieder einmal in der Halle des Pilgerortes verköstigt, geht Hannah ins Heilige Zelt, um "vor Jahwe" ein Kind zu erflehen. Der zuständige Priester hiess Eli (= mein Gott). Er glaubt, Hannah sei betrunken und will sie wegweisen. Doch sie gab ihm ihren Wunsch kund, einen Sohn zu bekommen. Darauf erhält sie vom Priester die begehrte Verheissung. Wie in I. Mose 18 steht in Silo ein (Heiliges) Zelt und ein (heiliger) Baum. Auf die schöne Erzählung der Verheissung wiederholt sich die gleiche Tat, doch nun nicht mehr idealistisch verklärt:
Die Frauen am Eingang des Zeltes sind sicher keine Ministranten, wie es in gewissen Kommentaren zu lesen ist, sondern Kultprostituierte, die im Kult der Ascherah Dienst hatten. 3.4. Terebinthe oder EicheDer in I. Mose 18,1 erwähnte Baum wird normalerweise mit Terebinthe (=Pistazienbaum) übersetzt. Die Terebinthe wird im Alten Orient mit einer weiblichen Gottheit assoziisiert, sie ist ein Baum Ascheras, ein Baum der Erkenntnis und der Fruchtbarkeit. Die Terebinthe gewährt den Männern Schutz vor der glühenden Sonne und lässt sie in ihrem Wohlbefinden nach dem Weibe gelüsten. Im uns vorliegenden hebräischen Text ist der Baum elon(e) benannt. Dies bedeutet "Eiche" oder einfach "mächtiger Baum". Dieser wird wegen seines gewaltigen Wuchs mit El (=Gott) gleichgesetzt. El ist der Bewahrer des Kosmosordnung und zu dieser Ordnung gehört auch die Vereinigung der Geschlechter. 3.5. Sarah bäckt KuchenAuf die enge Beziehung zwischen "Zelt" und "Baum" weist auch der Verlauf der Erzählung: Nachdem Abraham die drei Männer bat, unter dem Baum (thachath ha'ez) zu lagern, hiess er Sarah im Zelt, Brot zu backen, um die Gäste unter dem Baum zu bewirten (V. 8). Diese Szene erinnert an die Ringbrote, die für die Feier beim Aufzug der Bundeslade nach Jerusalem verteilt wurden (II. Samuel 6), aber auch an die Polemik Jeremias an die Frauen, die der Himmelsgöttin Brote backen:
Ganze Familien halfen für den Kult der Himmelsgöttin Brot zu backen:
"Sarah soll Brot backen" ist demnach ein Motiv aus dem Kult der Himmelsgöttin, die der Jahwist in den Jahwekult hinüberzieht. Jahwe respektive dessen Vertreter gebührt das Brot, denn Jahwe ist der Garant für die Fruchtbarkeit, wie der Autor in seinen Vorlagen vorfindet:
3.6 Sara oder AsiratSarah wird normalerweise mit "Fürstin" übersetzt. Doch Sara kann auch aus dem Namen Asirat abgeleitet sein. Bei den alten Phönizieren wurde Ashirat als Sonnengöttin verehrt, sie wurde aber immer mehr zur Schutz- und Muttergöttin und erfreute sich als Fruchtbarkeits- und Weisheitsgöttin grosser Beleibtheit. Ditlev Nielsen schreibt:
Aschera oder Ashirat ist als stilisierter Baum (Masseba) überliefert, so kennen wir sie auch aus dem Alten Testament. Ihr Sonnenaspekt, der bereits im Alten Orient in den Hintergrund trat, wird im Alten Testament nicht mehr wahrgenommen. 4. Traditionsgeschichte
I. Mose 18 stammt vom Jahwisten. Unter dem "Jahwisten" versteht man eine Schule, die an die deuteronomisch-deuteronom-ist-ischen Tradition anknüpft. Die deuteronomistische Schule wurde nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels aktiv. Nach dieser Katastrophe entwarf sie die erste alttestamentliche Geschichtsschreibung. Diese beinhaltet die Bücher Josua bis 2. Könige. Wie O. H. Steck in seinem bemerkenswerten Buch "Israel und das Geschick der Propheten" gezeigt hat, wird in dem deuteronomistischen Geschichtswerk "Abfall des Volkes Israel von seinem Gott" und das Strafgericht Gottes, das in der Zerstörung Samarias (722 v. Chr) und Jerusalem (584 v. Chr.) vollzogen wird, systematisch dargestellt. Ein klassisches Beispiel dieser Vorstellung ist II. Könige 17: A: Abfall es Volkes Israel von seinem Gott Mit der Zeit kommt das Motiv der Umkehr des Volkes und die Versöhnung mit Gott hinzu. Die Vorlagen der deuteronom-ist-ischen Schule sind die Aussagen der Schriftpropheten und der theologische Entwurf der deuteronomischen Schule. Die deuteronomische Schule entstand im Kreis des Propheten Hoseas im 8. Jahrhundert v. Chr. im Nordreich. In der Zeit der Zerstörung der Stadt Samaria (722 v. Chr.) flohen die Deuteronomen nach Jerusalem. Sie gaben die Urfassung des Buches 5. Mose heraus, das bei einer Renovation des Jerusalemer Tempels angeblich als "altes Buch" gefunden wurde (II. Könige 22). Da auch in der aktuellen Bibelforschung noch keine Einigkeit über Zeit und Entstehung des Pentateuchs herrscht, bleibe ich bei den Ergebnissen, wie ich sie in den 80er Jahren an der Uni Zürich gelernt habe: Nach H.H. Schmid und Martin Rose schrieb der Jahwist in der Exilszeit die Geschichte Israel vor der Landnahme (I. - IV. Mose). Nachdem der Deuteronomist im grossen und ganzen die Bücher V. Mose bis II. Könige entworfen hatte, verfolgte der Jahwist die Geschichte Israels zurück zu deren Anfängen bis Abraham und darüber hinaus zurück bis zur Erschaffung des Menschen, der Erschaffung von Adam und Eva (I. Mose 2,5-3,24). Der Deuteronomist wie der Jahwist benutzten für ihre Chronik alte schriftliche Quellen und mündliche Überlieferungen, die sie in ihrem Interesse und ihrem jeweiligen Zeitgeist interpretierten. Beide Werke wurden im 4. Jahrhundert vor Christus von den Autoren der Priesterschrift überarbeitet und erweitert. Die Autoren des Priesterkodex kamen zur Zeit Esras und Nehemias aus dem babylonischen Exil nach Jerusalem zurück. (Vgl. Esra, Nehemia), sie übernahmen ebenfalls altes Traditionsgut, zum Beispiel die Beschreibung der Bundeslade, welche sie nach babylonischer Vorlage neu entwarfen. Wie man sich Tradition und Neuinterpretation der Lade vorzustellen hat, beschreibt Martin Dibelius in seiner geradezu spannend zu lesenden Abhandlung "die Lade Jahves", die vor 100 Jahren, 1906, erschienen ist. Die Autoren des Priesterkodex fügten weiter ihre Genealogien und Gesetze ein und übernahmen die Endredaktion der 5 Bücher Mose. Die Frage, wie weit auch der Deuteronomist, Jahwist oder andere Schulen bei der Endredaktion mitgestaltet haben, überlass ich gerne unseren Exegeten. Bitte beachten Sie den Unterschied zwischen deuteronomistisch und deuteronomisch.
Ergebnis zu I. Mose 18In I. Mose 18 entwirft der Jahwist ein heiles Bild der Urahnen Abraham und Sarah. Sie begegnen Gott in Gestalt dreier Männer, die ihnen in ihrem hohen Alter ein Kind verheissen. Die Erzählung entspricht dem patriarchalen Ideal: Unterwürfig verhält sich Abraham gegenüber den drei fremden Männer und gibt Befehle an Sarah weiter ohne Widerrede duldend. Zeigt Sarah eine Reaktion, kommt sie schlecht weg, anders als Abraham, der in I. Mose 17,17 lacht. In I. Mose 18 beschreibt der Jahwist eine Szene, wie sie uns vom Propheten Hosea 4,10-14 überliefert ist: Nach Hosea sind es Frauen und Mädchen, die unter jedem Baum Unzucht treiben". In unserem Text lagern drei fremde Männer unter der Eiche (oder Terebinthe) und fragen nach der Frau. Doch statt von "Unzucht" ist hier von einer "Verheissung" die Rede. Der Name Sarah lässt sich mit "Fürstin" übersetzten. Doch Sarah erinnert auch an Aschera, die mit der Sonnengöttin Asirat identisch ist. Beide sind Fruchtbarkeits- und Weisheitsgöttinnen. Der Baum ist ihr Attribut, der Baum der Weisheit. Die Terebinthe in unserem Text, unter dem sich die Gäste lagerten und nach Sarah fragen, lässt noch schwach den Baum der Göttin erahnen. Da im Alten Orient Fruchtbarkeit und Weisheit zusammengehörten, ist die Frage der Fremden nach Sarah an den Vollzug der Heilige Hochzeit (hieros gamos) denken. Eine Heilige Hochzeit zur Mittagszeit ist in altorientalischen religiösen Texten belegt, so zeugt Re zur Mittagszeit das neue Sonnenkind, ebenso wie Baal mit der Kuh. In I. Mose 21,1 steht die kurze Notiz, Jahwe nähme sich Sarah an. Die Notiz wirkt wie eine Verzögerung des Satzes: "Wo ist Sarah?" Dazu gehört auch, wie Sarah im Folgenden den Namen Isaak erklärt: "Ein Lachen hat mir Gott bereitet", der in diesem Zusammenhang nur als sexueller Akt gemeint sein kann. In der Figur Sarah ist Aschera/Ashirat ihrer Macht als Fruchtbarkeits- und Weisheitsgöttin völlig entkleidet. Auch die Erwähnung ihres hohen Alters mag darauf hinweisen, dass sie von einer einstigen Göttin nun zur menschlichen Befehlsempfängerin ihres Herrn geworden ist. So backen keine Frauen backen ihr, der Himmelsgöttin, Brote, sondern sie soll den Gästen Brot backen. Die Erzählung handelt zur Mittagszeit, dabei ist die Eile Abrahams und wie er die Männer anredet bezeichnend: Mein Herr, habe ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so gehe doch nicht an deinem Knechte vorüber (V. 3). Das Motiv der Eile, des schnellen Vorüberziehens gehört zum Sonnengott, der in seiner Tagesbarke über die Himmelsroute gleitet und über Recht und Unrecht wacht. Da der Sonnengott in seiner unmenschlichen Grösse dem Menschen nicht selber erscheinen kann, wird er von der drei Männern vertreten, die Abraham in seiner arabischen Gastfreundschaft aufnimmt. Sie erscheinen auch wie die Strahlen der Sonne, die das Opfer im Nu vernichten, wie wir es vom Propheten Elia auf dem Karmel wissen (I. Könige 18). So schreibt auch Hans-Peter Stähli in "Solare Elemente Jahwes im Alten Testament", dass die Zeit der Sonne am Zenit, die Zeit von Gefahr, Seuchen, Krankheiten und Katastrophen ist. Diese Gefahr kommt von der Apophisschlange her, die durch den Helden Seth und später durch den Schreibergott Toth besiegt wurde. Hier handelt es jedoch um de religiösen Vorstellungen der Kulturländer. Beduinen sind keine Sonnenanbeter. Und wo fanden Kulturländer die Gefahr, die für sie gefährlich werdenden Mächte? Für die Kulturländer waren herumstreifende Beduinen, die ihre Karawanen überfielen und den "internationalen" Wirtschaftshandel gefährden, eine dieser Gefahren. Anders für die Beduinen, für sie kam die Bedrohung vom Militär der Grossreiche. Die militärischen Aktionen standen unter dem Sonnengott, der Sonnengöttin der Grossreiche wie Assyrien, Babylon oder Ägypten. Da die Erzählung vom Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. erzählt, könnte auch eine Erinnerung an die Hethiter vorhanden sein. Die Fremden in unserem Text fragen, nachdem sie satt waren, nach Sarah. Erinnert die Frage nicht an die Verachtung, die Kulturländer den Beduinenfrauen entgegen brachten. Beduinenfrauen, die belästigt und missbraucht werden durften, wie Othmar Keel betont? Versteckt die Verachtung der Kulturländer nicht die Wut auf die Macht der Frauen in deren matrizentristischen Beduinenstämmen? Der Jahwist selber stammt dem Kulturland und als Erbe deuteronomisch-deuteronomistischer Schule hat er auch das Bild vom Sonnengott hinter sich gelassen: Du sollst dir kein Bildnis machen in irgendeiner Gestalt, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist. (V. Mose 5,8) Und von daher hat er auch die Freiheit, Überlieferungen aus vergangenen Zeiten neu zu entwerfen und mit einer ganz anderen Pointe zu versehen: Aus der gefahrvollen Zeit des Zenits entsteht positiv die Theophanie der Verheissung. Das Alter von Sarah und Abraham bedeutet nun die Hoffnung auf einen neuen judäischen Staat, einen neuen Tempel und einen neuen Herrscher. |
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Ersteröffnung 5.9.1998 Text und Gestaltung: Ich freue mich auf Ihren Kommentar, Ihre Anregung! |