Der brennende Dornbusch

von Esther Keller-Stocker

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2.3. Bote und brennender Dornbusch

Im Alten Orient wurden Bäume als Ort orgiastischer Kulte verehrt. Der ständige Aufruf der Propheten und Priestern in alttestamentlicher Zeit zu Zucht und Gehorsam gegenüber Jahwe verdrängte diese orgiastischen Riten aus dem judäischen Volk. Der Jahwist der während der babylonischen Exil in Juda unter der Bevölkerung wirkte, interpretierte diese kultisch-sexuellen Riten (22) in bedächtige patriarchale Erzählungen um. Dazu gehört auch „der brennende Dornbusch“. In der heutigen Forschung wird darüber gerätselt, um was für einen Strauch es sich konkret handelt. Meines Erachtens geht es hier aber nicht um eine phosphoreszierenden Busch sondern um eine Vorstellung, die den ursprünglichen Brauch transzendiert. Denn „der Dornbusch der in Flammen steht, aber nicht verbrennt“ ist ein Symbol ewig währender Lust und damit Ausdruck einer Uminterpretation solcher orgiastischer Riten. Aber auch der „Bote Gottes“ in II. Mose 3 und der Schlange in II. Mose 4 sind Indizien dafür ebenso Aaron, der unvermittelt auftaucht, „jenseits der Wüste“, die in unserem Text eine menschenleere Gegend suggeriert .

Der „Bote Jahwes“ kommt im Alten Testament auch bei der „Zeugung eines Sohnes“ vor. Etwa in der Verheissung Simsons in Richter 13 begegnet der „Bote Jahwes“ einer Frau, die nur über den Namen ihres Mannes Manoah bekannt ist, und verheisst ihr einen Knaben. Die Frau erzählt ihrem Mann, ihr sei ein Mann Gottes begegnet. Manoah betet zu Jahwe, er möge den Mann nochmals schicken, damit er sie bezüglich des angekündigten Kindes anleite. Wo Jahwe ist, im Himmel, im Jenseits, als Geist in den Räumen Manoahs, ist offen. Der Bote Jahwes erscheint der Frau nochmals auf dem Felde und sie holt brav ihren Mann. Manoah fragt nach dem Namen des Boten. Dieser weigerte sich, indem er spricht, er habe "wundersame Dinge getan". Manoah opfert darauf ein Ziegenböcklein. Im Rauch des Opfers entschwindet der Engel. Und Manoah erkennt dabei den göttlichen Gesandten und glaubt sterben zu müssen. Doch seine Frau weiss es besser: "Wenn Jahwe Lust hätte, uns zu töten, hätte er das Opfer nicht angenommen" (Ri. 13,17-23).

Da das vertiefte Eingehen auf das Verb "Lust haben" den Rahmen dieser Interpretation sprengt, sei nur kurz erwähnt: I. Samuel 2,25 hatte Jahwe Lust die hurenden Söhne des Priesters Eli zu töten. Der junge Sichem hat Lust auf Dina, die Tochter Jakobs (I. Mose 34,19). Er vergewaltigt sie, worauf die zwölf Brüder Dinas einen Grund sehen, ihn und die ganze Stadt zu töten. In den Büchern IV. Mose 27,7.8 und Ruth 3,13 geht es um Schwagerehe. Ein Dilemma zwischen Liebe (Lust haben) und töten findet sich zwischen David und Jonathan:

Saul aber redete mit seinem Sohn Jonathan und mit allen seinen Knechten, daß sie David sollten töten. Aber Jonathan, Sauls Sohn, hatte David sehr lieb und verkündigte es ihm und sprach: Mein Vater Saul trachtet darnach, daß er dich töte (I. Sam. 19,1).

Geht es hier um eine homosexuelle Beziehung, wie in Fachkreisen erwähnt wird? Eine andere Form von „Lust haben“ kommt in der Begrüssung der Königin von Saba an Salomo zum Ausdruck: "Die Lust „Jahwes“ verhilft dem Salomo auf den Königsthron“. Doch davon später.

In Richter 13 geht es darum die ursprüngliche göttliche Zeugung von Simson durch eine sittsame patriarchale Erzählung zu ersetzen. Darauf weist die Antwort des Engels: „Warum fragst du nach meinem Namen, der doch wundersam ist? Die Zeugung eines Kindes ist ein Wunder. Und der Name des Kindes ist Simson, "kleine Sonne" und weist auf den Sonnengott Schamasch. Die Hervorhebung des Ehemannes Manoah soll von dem eigentlichen Vorgang ablenken, der göttlichen Zeugung zwischen dem Boten und der Frau, der auf den altorientalischer Ritus zurückgeht. In diesen Riten wurde nicht nur Kinder gezeugt sondern auch Menschen geopfert. Deshalb ist die Furcht Manoahs am Ende der Erzählung, getötet zu werden, auch wohl begründet.

In einer ähnlichen Erzählung trifft Hagar auf den Boten Jahwes am Brunnen Beer-Lahai-Roi ("Brunnen des Lebendigen, der nach mir schaut", I. Mose 16,7-13). Auch hier fand ursprünglich die Zeugung Ismaels zwischen dem „Boten Gottes“ und Hagar statt, wird aber vom Jahwisten in die Patriarchen-Erzählung von Abraham eingebettet (23). Oder in Mamre unter der Terebinthe kam Jahwe in Gestalt dreier Männer vorbei und zeugten Isaak (Isq bedeutet "lachen", "Geschlechtsverkehr haben". I. Mose 18; 21). Das uns bekannteste Beispiel ist der Engel Gabriel, der Maria die Geburt Jesu, des Sohnes Gottes verkündet (Lk. 1,26-38).

Im Alten Testament sind es auch Männer als Vertreter Gottes Söhne zeugt etwa der Priester Eli, der mit Hannah Samuel zeugte (I. Sam. 1) oder der Prophet Elisa zeugte mit der Schunammitin einen Sohn. Dieser starb ein paar Jahre später, doch Elisa liess ihn von den Toten auferstehen. (II. Könige 4,8-16).

Das sind Beispiele, in denen eine Frau von einem Engel oder von einem Gottesmann geschwängert wurde. Im Alten Testament gibt es aber auch Texte von irdischen Männern, die rituell mit einer Göttin in Verbindung treten. So tanzt David, als er die Lade (Aaron) zum zweiten Mal nach Jerusalem brachte, in seinem Schürzchen, also nackt, vor der Lade (Aaron). Beim ersten Versuch, die Lade nach Jerusalem zu bringen, scheiterte am Tod eines Priesters.

Auch Salomo verehrte die Lade (Aaron) als Gottheit. So begrüsste die Königin von Saba Salomo:

Gelobt sei Jahwe, dein Gott, der zu dir Lust hat, dass er dich auf den Stuhl Israels gesetzt hat (I. Kön. 10,9).

Was für eine Liebe ist hier gemeint? Der Name Jahwe ist erst seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. belegt (24). Der Tempel, der Salomo gebaut hatte, ist der Lade gewidmet. In der heutigen Forschung weiss niemand, woher der Name Aaron stammt. Da aber Ende des 2. Jt. v. Chr. die Hethiter in Syrien-Palästina herrschten, ist es naheliegend beim Begriff Aaron an die hethitische Staatsgöttin „der Sonnengöttin von Aruna“ zu denken. In Aruna im anatolischen Gebirge befand sich der Hauptsitz der hethitischen Sonnengöttin Wurushemu. Ende des 2. Jt. v. Chr. haben die israelitischen Stämme die Lade (Aaron) als Heiligtum ihrer Bundesgenossenschaft von den Hethitern übernommen. Die Sonnengöttin hatte sich im Laufe der israelitischen und judäischen Königzeit den örtlichen Fruchtbarkeitsgöttinnen angepasst. In der Begrüssung der Königin von Saba an Salomon (I. Kön. 10,9) kommt noch die ursprüngliche Bedeutung der „Sonnengöttin von Aruna“ als "Göttin des herrschenden Königs" zum Ausdruck. Von ihr hat er den Königsthron.

2.4. Der brennende Dornbusch

Das Wort "Dornbusch" ist eigentlich eine despektierliche Bezeichnung und erinnert an den Dornbusch an die Fabel in Richter 9. In dieser Fabel wird erzählt, dass der Dornbusch als unfähigster Baum zum König der Bäume gewählt wurde und zwar gerade, weil er nichts Gescheiteres zu tun hat (Ri. 9,8-15).

Die Fabel der Bäume gehört zum deuteronomischen Geschichtswerk. Der nichtsnutzige Dornbusch droht den anderen Bäumen, wenn sie sich seinem Schatten nicht anvertrauen, würde Feuer aus ihm hervorgehen und die Zedern Libanons verschlingen. In Richter 9,15 ist Feuer aus dem Dornbusch metaphorisch für Männer gedacht, die sich nicht unterordnen. Diese Geschichte dürfte dem Jahwisten als Vorlage gedient haben und wandelte wie gewohnt die negative Vorgabe in eine positive Erzählung um.

Ein anderer Gedanke über Bäume stammt vom Propheten Ezechiel:

Und sollen alle Feldbäume erfahren, dass ich, Jahwe, den hohen Baum erniedrigt habe und den niedrigen Baum erhöht habe und den grünen Baum ausgedörrt und den dürren Baum grünend gemacht habe. Ich, Jahwe, rede es und tue es auch. (Ezechiel 17,24)

Der unbedeutende Distelstrauch wird durch Jahwe zum grünenden Baum. Auch die Erwählung Mose in II. Mose 3 geschieht nicht unter einem gewaltigen Baum, wie das sonst bei Berufungen oder Geburten von wichtigen Persönlichkeiten üblich ist, sondern unter einem jämmerlichen Strauch, der durch die göttliche Erscheinung zu einer gewaltigen Erscheinung wird.

Der Jahwist lebte in der Zeit der neu-babylonischen Herrschaft. Jerusalem und Tempel sind zerstört. Die Bundeslade, der Wohnsitz Jahwes blieb seit der Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar II. verschwunden. Demnach wohnte Jahwe nicht mehr im Tempel sondern in der Wüste, wie einst in uralten Zeiten, in die der Autor seine Geschichte projiziert.

In Syrien-Palästina wurde die Fruchtbarkeitsgöttin  Aschera als natürlicher oder stilisierten Baum verehrt (25). Ihr Beiname ist "die Heilige", "die Hierodule" oder "die heilige Dirne". Man hat auch Belege gefunden, wonach im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. Aschera in Israel die Ehefrau Jahwes war. In den Segenssprüchen im V. Buch Mose erscheint Aschera als Schoss (Plural), aus dem das Kleinvieh geboren werden:

Gesegnet ist die Frucht deines Leibes
die Frucht deines Bodens und die Frucht deines Viehs, der Nachwuchs deiner Rinder und die Aschteroth deines Kleinviehs (V. Mose 28,4 ebenso Vers 18 und 51 und V. Mose 7,13).

Hier ist die mütterliche Kraft der Aschera im gleichem Atemzug wie der Leib der Frau, die Frucht der Erde und des Viehs gesegnet.

Vegetationsgöttin in "der brennende Dornbusch"

aus Othmar Keel, Christoph Uehlinger, "Göttinnen, Götter und Gottessymbole", S. 63

Andererseits befahl Jahwe im Alten Testament oft, die Bäume der Göttin Aschera, die Ascheren, auszureissen und zu verbrennen, zum Beispiel:

Vielmehr sollt ihr so mit ihnen verfahren: Ihre Altäre sollt ihr niederreissen, ihre Mazzeben zerschlagen, ihre Ascheren umhauen und ihre Götterbilder im Feuer verbrennen. (V. Mose 7,5 ).

Propheten polemisierten gegen sexuelle Ausschweifungen auf Höhen unter grünenden Bäumen. Jeremia wetterte etwa:

Auf jedem hohen Hügel und unter jedem grünen Baum legtest du dich als Dirne hin (Jer. 2,20, vgl. 3,6)

Der Autor von der Erzählung des brennenden Dornbusches kennt natürlich die Polemik der Propheten und interpretiert sie auf seine Weise positiv um. Der brennende Dornbusch symbolisiert die Vegetationsgöttin, die in II. Mose 3 aber völlig verschwunden ist. In verdrängter Form taucht sie in II. Mose 4 in Gestalt des Bruders Aaron auf. Aharon geht auf die Bezeichnung der Lade (= Aaron) und letztlich auf die hethitische Sonnengöttin von Aruna zurück.

2.5. Heiliger Boden

Marija Gimbutas schreibt:

Etwas Heiligeres als die Erde gibt es nicht.

In prähistorischer Zeit wurde die Erde in Alt-Europa und im Alten Orient als höchste Gottheit verehrt. Sie war die Einzige, die auf einem Thron sass. Die ihr zugeordneten Fruchtbarkeitssymbole sind Symbole der Kraft, der Fülle und der Vermehrung, deren Themen ewige Erneuerung des Lebens und die Bewahrung der Lebenskräfte, die ständig vom Tode bedroht sind.

Wird die Erde beleidigt, so wird sie ächzen und stöhnen. Sie duldet keine Diebe, Lügner oder eitle und stolze Menschen. In manchen Sagen und Legenden verschlingt die Erde Sünder samt ihren Häusern und Schlösser, und wenn sie sich wieder über ihnen schliesst, entsteht an dieser Stelle ein See oder ein Berg (26).

Im Alten Testament ist die moralische Kraft der Erde etwa wie folgt beschrieben:

Wenn man einen Erschlagenen findet in dem Lande, das dir Jahwe, dein Gott, geben wird einzunehmen, und er liegt im Felde und man weiß nicht, wer ihn erschlagen hat, so sollen deine Ältesten und Richter hinausgehen und von dem Erschlagenen messen bis an die Städte, die umher liegen. Welche Stadt die nächste ist, deren Älteste sollen eine junge Kuh von den Rindern nehmen, mit der man nicht gearbeitet und die noch nicht am Joch gezogen hat, und sollen sie hinabführen in einen kiesigen Grund, der weder bearbeitet noch besät ist, und daselbst im Grund ihr den Hals brechen. Da sollen herzukommen die Priester, die Kinder Levi; denn Jahwe, dein Gott, hat sie erwählt, daß sie ihm dienen und in seinem Namen segnen, und nach ihrem Mund sollen alle Sachen und alle Schäden gerichtet werden
(Dt. 21,1-9).

Um den Mord zu sühnen, der von einem Unbekannten ausgeübt wurde, muss eine einjährige Kuh an einem Wildbach das Genick gebrochen werden. Die Kuh ist Attribut der Erdgöttin, aber auch Mittlerin zwischen der Erdgöttin und den Menschen. Um die Erde zu entsühnen, muss sie stellvertretend für den Mörder sterben. Eine uns besser bekannte Erzählung ist die Tötung Abels durch Kain. Kain erhält als Strafe ein Mal auf die Stirn.

Da sprach Jahwe zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein? Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Bluts deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Und nun verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen (I. Mose 4,9-11)

David auf hebräisch geschrieben

Der Tempel von Jerusalem stand auf heiligem Boden. Der Tempel war heilig durch die Lade (Aaron), dem Stammesheiligtum Israels, die David nach Jerusalem gebracht hatte. Die Lade war Symbol der Sonne und der Erde. Auf dem Weg nach Jerusalem huldigte David der Lade im Tanz. Er war der Liebling "Dod" der Göttin. Denn "Dod" bedeutet "Liebling" und ist eine Bezeichnung für Baal. Die Konsonanzen von Dod und David sind identisch, beides Mal d-w-d (27).


Text und Gestaltung revidiert im Mai 2015
Esther Keller-Stocker, Uttwil (Schweiz), Email

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