AUFSÄTZE ZU EINER GANZHEITLICHEN THEOLOGIE

Esther Keller-Stocker

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Aaron - Aharon - Arauna

in Bearbeitung

I. Samuel 1

Die Erzählung

Die uns vorliegende Geschichte in 1. Samuel 1 ist einheitlich aus einem Wurf. Und doch ahnt man, dass sie aus der Polemik gegen die orgiastische Kultpraxis auf den Höhen entstanden ist, die man hier auf das veränderte Moralverständnis der Exils- und Nachexilszeit neu erzählt.

Die Geschichte handelt von einer unfruchtbaren Frau Hanna. Sie ist mit einem gewissen Elkana aus Ramatajim-Zofim im Gebirge Ephraim verheiratet. Obwohl der Mann in dieser Geschichte eine Nebenrolle spielt, wird er gebührend eingeführt als Sohn Jerohams, des Sohnes Elihus, des Sohnes Tohus, des Sohnes Zufs, ein Ephraimiter (V. 1). Dieser Mann war aber nicht nur mit der geliebten kinderlosen Hanna verheiratet sondern auch mit einer zweiten Frau Peninna, die viele Söhne und Töchter hatte (V. 4). Diese Peninna machte sich ob der Unfruchtbarkeit Hannas lustig, so dass diese sehr gekränkt war.

Diese Formation von einer unfruchtbaren und einer fruchtbaren Frau, die mit demselben Mann verheiratet sind, ist eine typische Situation im Alten Testament, so Sara und Hagar als Frau und Nebenfrau Abrahams oder Lea und Rahel als Schwestern und Ehefrauen Jakobs. Dazu schreibt Irmtraud Fischer:

Das Motiv der Unfruchtbarkeit hat damit offensichtlich eine Theologisierung erfahren, da diese Kinder unfruchtbarer Mütter ihre Existenz mehr dem rettenden Eingreifen Gottes für die Frauen als der männlichen Potenz verdanken (44).

In 1. Samuel 1 wird mit keinem Ton erwähnt, dass in Silo die «Gotteslade» befand und dass die Familie zu dieser Gotteslade pilgerte. Der Name Aaron wird erst in I. Samuel 3,3 kurze erwähnt.

„Hinaufgehen, hoch, erhaben“ (1. Sam. 1,3)

In I. Samuel 1 ging nun die Familie Elkana Jahr für Jahr zum berühmten Wallfahrtsort Silo hinauf (alh) um zu Jahwe zu beten und ihm zu opfern. Dort waren die Söhne Elis (ali), nämlich Hophni und Pinhas, Priester. Also nicht Eli ist Priester in Silo sondern seine Söhne.

In V 3 fallen auf alle Fälle die zwei al „hinauf, oben“ auf, einmal im Verb "hinaufgehen" (alh) und dann im Namen Eli (ali):

  1. Elkana geht hinauf nach Silo (alh alh, V. 3a).
  2. Und im gleichen Vers werden die Söhnen Elis Söhne Elisals Priester in Silo eingeführt (V. 3b). Eli von al „hoch“ bedeutet „der Höchste (=der Erhabene) und wird als Kürzung für „mein Gott ist hoch (= erhaben)“ verwendet (45). Der Name Eli taucht hier zum ersten Mal auf und kommt im Alten Testament nur für diesen Mann in 1. Sam. 1-4 vor (I. Sam. 1-4) (46).

Zu Beginn der Geschichte wird also ein Mann Elkana zusammen mit seiner Familie vorgestellt. Obwohl dieser Elkana in der Erzählung eine Nebenrolle spielt, wird er mit seinem ganzen Namen vorgestellt:

Und es war ein Mann aus Ramatajim-Zofim vom Gebirge Efraim, sein Name war Elkana, der Sohn Jerochams, des Sohns des Elihu, des Sohns des Tochu, des Sohns von Zuf, ein Efratiter.

Dann folgt in V. 3 ein Satz, in dem zweimal „hoch“ vorkommt, einmal im Verb „hinaufgehen“ und einmal im Namen Eli. Das deutet doch auf einen verbotenen Höhenkult hin, den jede Hörerin und jeder Hörer im rückständigen Juda Ende des 6. Jh. v. Chr. kannte. Der Prediger leitet dieses Wissen hier knapp auf die - den Zuhörern wohl bekannten - beiden Söhne Elis Hophni und Pinhas, um zu sagen: „Ja, auf die komme ich noch."  Doch vorher wird eine andere Geschichte erzählt, nämlich die von Elkana und seiner Familie. Die Hörerinnen und Hörer dürften gedacht haben "Elkana - noch nie gehört!" Und so schildert der Prediger wortreich, wie diese Familie beim Abendessen zu Tisch sass - gesittet, wie es sich für eine anständige Familie gehört. -  Nur Hanna – die Hauptperson - ist traurig, sie mag weder essen noch trinken, sodass Elkana sie fragt: „Bin ich dir nicht mehr wert als 10 Söhne?“ – Sie gibt keine Antwort sondern steht auf und eilt zum Tempel und betet dort inbrünstig zu Jahwe um einen Sohn (V. 9a). Während sie betet, sitzt Eli („der Erhabene“), der hier auch ein Priester ist, auf einem Stuhl beim Türpfosten vor dem Tempel (47) und beobachtet Hanna, wie sie von Jahwe um einen männlichen Spross bettelt.

Das Gelübde

Und sie war verbittert und betete zu Jahwe und weinte untröstlich. Und gelobte ein Gelübde und sprach: Jahwe der Heerscharen, wirst du das Elend deiner Magd ansehen und an mich gedenken und deiner Magd nicht vergessen und wirst du deiner Magd einen männlichen Spross geben, dann will ich ihn Jahwe geben sein Leben lang, und kein Schermesser soll auf sein Haupt kommen (1. Samuel 1,10f.).

Hanna macht hier ihr Gelübde, wenn sie von Jahwe einen Sohn bekommt, wird sie ihn Jahwe weihen. Gelübde hebräisch ndr רדנ kommt sowohl in I. Sam. 1,11 vor wie im Verbot, das kein Dirnenlohn oder Hundelohn für ein Gelübde im Tempel Jahwes geduldet wird (V. Mose 23,19).

Der Priester Eli hörte nicht, was sie sagte und meinte, sie sei stock betrunken. Ein kluger psychologischer Moment des Predigers, denn die Hörerin, der Hörer haben dem Priester Eli das Wissen voraus, dass Hanna nichts gegessen und nichts getrunken hatte, schon gar keinen berauschenden Drink, der sonst üblich ist bei so ausgelassenen orgiastischen Feiern. Hier geht es nur um ihre Trauer – und um gar nichts anderes – der geistige Mahnfinger des Predigers ist mit Händen zu greifen. Um dies zu unterstreichen, legte der Prediger der Hanna in den Mund:

Hanna aber antwortete und sprach: Nein, mein Herr! Ich bin eine Frau beschwerten Geistes; Wein und starkes Getränk habe ich nicht getrunken, sondern habe mein Herz vor Jahwe ausgeschüttet. Du sollst deine Sklavin nicht für eine Tochter Belials halten, denn ich hab aus meinem grossen Kummer und aus Traurigkeit so lange geredet.

Wo genau Hanna betet, ist nicht klar. Allgemein gehen die Fachleute davon aus, dass sich Hanna im Tempel befindet. Im vorliegenden Text wird betont, dass Eli auf einem Stuhl am Türpfosten vor dem Tempel sass, also am Ort, wo die Qedeŝen wohnten und die Frauen Dienst taten (I. Kön. 22,47).

Auffällig ist das Gefälle zwischen Gott und der Frau oder dem Priester und der Frau. Hanna spricht Gott als Jahwe oder Jahwe der Heerscharen an. Und offiziell soll man statt Jahwe Adonai „mein Herr“ sagen. Hanna spricht auch den Priester Eli mit „Adonai“ („mein Herr“) an. Es ist also kein Unterschied zwischen Gott und dem Priester Eli. Demgegenüber bezeichnet sich Hanna vor Jahwe als „deine Magd“, vor dem Priester ebenfalls „deine Magd“ und gar „deine Sklavin“. Eli schickte sie fort:

Daraufhin sagte Eli: Geh in Frieden! Und der Gott Israels möge dir geben, was du von ihm erbeten hast. Und sie sprach: Deine Sklavin möge Gnade finden in deinen Augen. Und die Frau ging ihres Wegs, und sie ass, und ihr Gesicht war nicht mehr betrübt. (1. Sam. 1,17f.)

In der jetzige Fassung spricht Eli ihr gegenüber nur noch eine wirksame Verheissung aus. Dass in I. Sam. 1 auf keinem Fall Adonai „mein Herr“ den ersehnten Sohn mit Hanna zeugte, darauf weist auch die Notiz, wonach Elkana zu Hause angekommen Hanna „erkannte“ („Sex hatte“, V. 19) (48).

Als der Bub entwöhnt war, überbrachte Hanna ihn dem Tempel Jahwes. Zusammen mit ihrem Sohn brachte sie auch einen Stier, Mehl und Wein (V. 24). Kleider für den kleinen Novizen und Geld wurde ebenfalls dem Tempel vermacht. Das ist doch der „Hundelohn“ der selbsternannten „Magd“ und „Sklavin“ an den Tempel Jahwes für ihr Gelübde. Ganz schön grosszügig.

Die Verheissung

Wenn der Redaktor oder Prediger in I. Samuel 1,9ff Hanna betont, Hanna habe keinen Rausch und sei mitnichten eine Tochter Belials, zeigt er eine emotional starke Abwehrhaltung gegen etwas, auf das die Hörerschaft ja nicht denken darf - an „die Exzesse auf den Höhen“. Dass Hanna rauschhafte Getränke zu sich genommen habe, ist bloss(!) „ein Missverständnis“ und die orgiastischen Feiern auf den Höhen sind des Teufels. Anders sieht es dann Paulus im Neuen Testament, für ihn ist Promiskuität Strafe Gottes (Röm. 2?).

In I. Samuel 1 kommt es zu keiner Szene, wo Gott respektive sein Stellvertreter körperlich eingriff. Dann verheisst und segnet Eli „Elkana und seine Frau“ für weitere Kinder:

Und Eli segnete Elkana und seine Frau und sprach: Der HERR gebe dir Kinder von dieser Frau anstelle dessen, den sie vom HERRN erbeten hat. Und sie gingen zurück an ihren Ort. Und der HERR suchte Hanna heim (דקפ), dass sie schwanger ward, und sie gebar drei Söhne und zwei Töchter. Aber der Knabe Samuel wuchs heran bei dem HERRN.
(I. Sam. 2,20f. Luther Bibel 2017)

hebr. Text zu I. Sam. 2,20f.

So bieder und harmlos der priesterliche Segen Eli daherkommt. In V. 21 ist dann davon die Rede, dass Jahwe Hanna heimsucht (pqd). Diese göttliche „Heimsuchen“ wird im Alten Testament als „Strafe Gottes für die Verfehlungen des Volkes“ verwendet (49). Wenn eine Frau von Gott heimgesucht wird, dann ist es positiv als Zeugen von Kinder verwendet. Und so wird auch Sara von Gott geschwängert:

Und der Jahwe suchte Sara heim (pqd) wie er gesagt hatte, und tat an ihr, wie er geredet hatte. (1. Mose 21,1)

hebr.Text zu 1. Mose 21-1

Wie bei Sara „heimsuchen“ verstanden sein will, wird in der Namensgebung Isaaks klar. Denn Abraham nannte den Sohn Isaak mit der Begründung: Gott habe Sara ein Lachen bereitet (isq) (I. Mose 21,1-6), das eigentlich „Geschlechtsverkehr haben“ ausdrückt. Im Namen Isaak kommt die kultische Vereinigung einer Frau mit Gott also noch deutlicher zum Ausdruck als bei Hanna. Erst in der Nachexilszeit suchten die Redaktor diesen Worten eine neue Bedeutung zu geben, indem der jeweilige Ehemann an Gottes Statt tritt. Erst im Neuen Testament lebt die ursprüngliche Bedeutung nochmals auf, indem Gott, der Heilige Geist persönlich Maria schwängert und der Engel Gabriel diese frohe Botschaft der Beglückten bringen darf. In Wirklichkeit war es wohl umgekehrt, der Engel wirkte an Gottes Statt. Auch Maria wurde von Gott, vom Heiligen Geist oder vom Engel Gabriel heimgesucht respektive erhält die frohe Botschaft, „einen Sohn zu gebären“ (50). Und darauf ist sie wie Hanna des Lobes voll über diesen Gott (I. Sam. 2,1ff; Lk 1,46-55) (51).

In der Fachliteratur, die ich für diesen Aufsatz lese, ist immer wieder von der „reinen Lehre Jahwes“ in der Gründerzeit Ende des 2. Jt. v. Chr. die Rede (52). Aber wie hat den diese „reine Lehre Jahwes“ ausgesehen? (52). Was wir als „reine Lehre Jahwes“ kennen, hat frühestens im 8. Jh. v. Chr. überhaupt erst begonnen. Und erst in einem langen Prozess der Reflexion, der erst nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels im 6. Jh. v. Chr. in Babylon so richtig Fahrt auf (53). Die exilisch-nachexilischen Redaktoren greifen auf alte Texte und Vorstellungen und wandeln sie entsprechend der „reinen Lehre Jahwes“ um. So ist nach dem uns überlieferten Text Sara die Schwester und Gemahlin Abrahams. Dass sie ein verheiratetes Geschwisterpaar sind, wird damit begründet, dass sie nicht dieselben Mütter haben (I. Mose 12). In dieser Erzählung wird Sara durch den Pharao geraubt. Doch dieser Raub führte zu Unfruchtbarkeit von Mensch und Tier innerhalb Ägyptens (V. 17). Im Gegensatz dazu wusste die Abrahams-Gruppe kaum noch, wohin mit dem Nachwuchs (V. 16). Das tönt doch eher danach, dass Sara (= Fürstin) ursprünglich eine Fruchtbarkeitsgöttin war, deren Standbild von den Ägyptern gestohlen wurde. Auch wird in der Abrahams-Geschichten betont, dass Abraham „El Schaddaj „Gott der Mutterbrüste“ anbetete, also eine Göttin. In der heutigen Fachliteratur bedeutet „Schaddaj“ alles andere, nur nicht „Mutterbrüste“, denn „nur als MANN ist Gott existent“.

Keine Tochter Belials – Söhne Belials

In I. Samuel 1 handelt Hanna selbständig, als wohlhabende Frau. Ihr Ehemann spielt ausser in einigen Notizen, die die Tugendhaftigkeit Hannas bestätigen soll, keine Rolle. So trifft Hanna alle Entscheidungen selber. Sie gibt auch ihrem Sohn den Namen Samuel. Der Text lautet:

Und da die Tage um waren, ward Hanna schwanger und gebar einen Sohn und hieß ihn Samuel: "denn ich habe ihn von dem HERRN erbeten (sa’ul לאש)."

Die Begründung, weshalb sie den Sohn Samuel nannte, war „von Jahwe habe ich ihn erbeten“. Dieses Erbeten wird hebräisch mit sa’ul wiedergegeben. Deshalb müsste Samuel eigentlich Saul heissen. Gerade diese Verschiebung des Namens zeigt, wie willkürlich die späteren Redaktoren mit dem vorliegenden schriftlichen Material umgingen.

Aufgrund der Verbindung Hanna und Saul lassen zwei Wörter aufhorchen: So verteidigt sich Hannah vor Eli, der annimmt, sie sei betrunken:

Halte deine Magd nicht für eine ruchlose Frau, denn aus tiefer Verzweiflung und aus Gram habe ich so lange geredet (I. Sam. 1,16).

isam1-6

 Sie sei keine „ruchlose Frau“ (, so die übliche Bibel-Übersetzung. Hamilton Smith (54) übersetzt wortwörtlich sie sei keine „Tochter Belials“, also keine „Tochter dunkler Mächte“, keine Tochter „Satans“. Was meint der Prediger, der Redaktor damit? Im Alten Testament ist sie der einzige weibliche Mensch, der als „Tochter“ mit dem „Satan“ in Verbindung gebracht wird, und zwar verneinend. Sie ist keine „Tochter Belials“. In den anderen Beispielen handelt es sich stets um Männer, die „Söhne Belials“ genannt werden und zwar im bejahender Weise. Sie sind wirklich „Söhne Belials“, so bereits in I. Samuel 2,12, werden Hophni und Pinhas, die Söhne Elis:

Aber die Söhne Elis waren ruchlos. Sie fragten nicht nach dem Herrn (Luther Bibel 2017)

Genauer: Und die Söhne Elis waren Söhne Belials, sie kannten Jahwe nicht (2. Sam. 2,12)

Auf die tugendhafte Mutter Hanna folgt ihr Sohn - nirdends die Rede von seinem Vater! Der junge Noviz Samuel war im Tempel Silos ein tugendhaftes und von Jahwe anerkanntes Kind im Gegensatz zu den Söhnen Elis, die die Pilger um ihre Opfer prellten und mit den Frauen, die vor dem Eingang des „Zeltes der Begegnung“ ihren Dienst taten (V. 22), schliefen. Deshalb waren sie „Söhne Belials. „Söhne Belials“ waren auch die Männer der Stadt Gibea (Ri. 19,22; 20,13), weil sie des Nachts den fremden Leviten für „homosexuelle Handlungen“ herausforderten. Der Levit überliess ihnen seine Nebenfrau, die bei der nächtlichen Vergewaltigungen getötet wurde.

Hanna war keine Tochter des Belials. Hier geht es wohl darum, gegen die Polemik der Schriftpropheten, die die Untreue des Volkes Israel abstrakt oder metaphorisch als lüsternes Frauenzimmer darstellten, zu kritisieren. Sie ist keine solche Frau. Ihren Wunsch nach Kinder soll in nachexilischer Zeit kraft des Wortes der Verheissung von ihrem Ehemann vollzogen werden.

Warum Samuel und nicht Saul?

Dass Hanna keine „Tochter Belials“ ist (V. 15) und ihr Sohn ursprünglich Saul und nicht Samuel hiess, gibt mir jetzt doch zu denken: Nehmen wir an, ihr Sohn war ursprünglich Saul, dessen Vater Kisch aus Benjamin hiess. Saul war gross, stark und schön:

Der war jung und schön, und unter den Israeliten gab es keinen schöneren Mann als ihn, er überragte alles Volk um Kopfeslänge (I. Sam. 9,1f.)

Als die Ammoniter die Israeliten bedrohten, kam Saul mit einem Rindergespann nach Hause und sah das Volk weinen. Als die Leute ihm die Gefahr schilderten, zerriss er - gemäss Sonntagsschule, die ich als Kind besuchte - voll Zorn mit beiden Händen die Rinder und verteilte die Stücke im ganzen Land (I. Sam. 11,7).

In einer anderen Geschichte verschwanden die Eselinnen seines Vaters. Saul ging diese überall suchen. In Ephraim-Benjamin zog er von Höhe zu Höhe, doch fand die verlorenen Eselinnen nicht. Für mich stellt sich hier die Frage, weshalb werden im Text die Eselinnen betont? Warum sucht Saul nicht Esel und dabei sind die Eselinnen mitgemeint, wie das doch üblich wäre in einem Patriarchat? Doch hier steht ausdrücklich Eselinnen und in der Fachliteratur habe ich nirgends eine Erklärung darüber erhalten, warum diese Eselinnen nicht männlichen Geschlechts sind, erhalten. Andererseits ist bekannt, dass die „Lade“ (Aaron) in der vorköniglichen Zeit „die Anwesenheit Gottes“ repräsentiert (55). Doch im Vergleich mit den vorislamischen Araber die Behälter oder kleine Zelte mit zwei Steinen darin kennen, die die Göttinnen Al-Lat und Al-Uzzah repräsentieren , muss ich mich schon fragen, ob ursprünglich die Eselinnen ursprünglich wohl zwei Göttinnen meinen, die durch zwei Steine in der Lade repräsentiert werden. Denn nach der Erklärung Hannas für die Auswahl des Namens ihres Sohnes, müsste eigentlich Saul und nicht Samuel im Tempel von Silo aufgewachsen sein. Und dort stand nach allgemeinen Konsens die Lade, die wohl das Zentralheiligtum der Nordreichsstämme war (56).

Auf der Suche nach den „Eselinnen“ traf Saul Samuel, der ihn zum erster König über Israel salbte. Im Alten Orient fand sonst nur noch bei den Hethitern die Salbung zum König statt. Nach Ernst Kutsch sind die Belege nicht zahlreich und nicht eindeutig. In einem hethitischer Text heisst es:

Und ihn (Tuthalija) salbten sie zur Königsherrschaft. (KUB XXXVI 119) (57).

Saul war also der erste Messias. Auch David nannte ihn so:

TEXT

Doch wegen einer Opfergeschichte ist Saul in Ungnade gefallen und ein böser Geist von Jahwe hat ihn befallen (I. Sam. 16,14):

Der Geist des HERRN aber war von Saul gewichen, und ein böser Geist vom HERRN versetzte ihn in Schrecken. Und die Diener Sauls sagten zu ihm: Sieh doch, ein böser Gottesgeist versetzt dich in Schrecken (I. Sam. 16,14f.).

Hier geht es um die Kontroverse zwischen „(guter) Geist Jahwes“ und „böser Geist von Jahwe“. Das ist doch auch das Thema in den Evangelium. Im Markus-Evangelium fragt Jesus:

Warum sagen die Schriftgelehrten, der Messias sei Davids Sohn? David selbst hat doch durch den heiligen Geist gesagt: Der Herr sprach zum meinem Herrn: Setzte dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füsse gelegt habe. David selbst nennt ihn Herr, wie kann er da sein Sohn sein. Und viele Leute hörten ihm gerne zu

Ich denke, hier geht es um eine göttliche und eine menschliche Aussage über den „Messias“. Der erste Messias war Saul, den auch David „den Gesalbten Jahwes“ nannte (2. Sam. 1,14). Und Saul wurde in Beth Sean mit seinen Söhnen gepfählt (1. Sam. 31,10).

So wird schon die Geburtsgeschichte ähnlich erzählt: Erhielt Hanna im Tempel Jahwes – wo die Lade stand, vom irdischen Adonai die Zusage, dass sie einen Sohn gebiert, so ist es bei Lukas der Engel Gabriel, der im Auftrag des Geistes Gottes (Taube) über Maria kommt (Lukas 1,35). Doch wichtiger ist die Berufung Jesu selber, denn nach seiner Taufe im Jordan, flog der Heilige Geist wie eine Taube auf oder genauer „in“ ihn. Die Taube ist das Symbol der altorientalischen Liebesgöttin. Das geht schon aus dem griechischen Wort für Taube „peristeran“. Es ist ein Lehnwort aus dem Semitischen „Perach-Istar“ und bedeutet „Vogel der Istar“ (58).

So steht in einer engen Beziehung zur Weiblichkeit Gottes, er wurde vom Geist Gottes erwählt, die ausdrücklich wie eine Taube, dem Begleittier der Liebesgöttin, auf Jesus herabkam. Und diese Erwählung wurde dann auf menschlicher Ebene von einer Frau vollzogen, die ihn salbte (Mk ). – Bei der Hinrichtung zerriss der Vorhang vor dem Allerheiligsten, in der aber keine Lade stand (Aaron = Sonngöttin von Arinna“) – als selbständige Göttin ist sie schon lange fort. Sie manifestiert sich jetzt vom lieben Gott zurecht gebogen. Wie er das macht, zeigt „Gott als Töpfer“ nämlich mit Gewalt und zerstörerischer Brutalität (Jer. ...) als Kreuz, dem verlängerten Arm des Synedrion, dem göttlichen Gericht.

Mit der Berufung Jesu zum „Sohn Gottes“ erhält er sogleich die Aufgabe, sich dem Satan zu stellen:

Und sogleich treibt ihn der Geist in die Wüste. Und er war vierzig Tage in der Wüste und wurde vom Satan versucht. Und er war bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm (Mk. 1,12f.)

Die wilden Tieren und die Engel weisen darauf, das er für sich selber das Böse besiegt hatte. Wenn Jesus den Satan überwunden hatte, heisst das nicht, dass dieser einfach weg ist. Im Gegenteil, kaum tritt Jesus öffentlich auf, muss er „böse Geister“ vertreiben. „Böse Geister“, die als erste wussten, dass er der „Sohn Gottes“ ist. Aber wo gehen die ausgetriebenen bösen Geister denn hin? – Das wird nur in einem Beispiel gesagt in der Erzählung vom Hirten aus Gerar. Der hatte eine ganze Legion böse Geister in sich. Diese Legion trieb Jesus in die Schweineherde, die dann in ein Meer stürzen, das es in Gerar – objektiv, wissenschaftlich genau geklärt - aber gar nicht gibt. Die Wissenschaft hat unterdessen herausgefunden, dass zu jener Zeit eine römische Legion in Palästina unter dem Banner eines Ebers unterwegs waren. In unserer konkret und nach Fakten denkende Welt soll mit „Meer“ der See Genezareth gemeint sein, doch der befindet sich auch nicht in Gerar.

Ich denke, das Meer ist ein Symbol für das kollektive Unbewusste und dorthin werden die Schweine ersäuft – möglichst auf nimmer wiedersehen wie der Plastik in unseren Tagen. Aber so funktioniert das Unbewusste nicht. – Für das menschliche Bewusstsein ist die Legion von Schweinen zwar weg, dafür treibt er im Unbewussten sein Unwesen, das noch weit gefährlicher ist: Es sammelt sich an und erhält eine eigene Dynamik, die alles zerstört (59). Und das gilt natürlich nicht nur für die bösen Römern sondern für alle bösen Geister, die Jesus aus den Menschen austrieb. Die sind nicht einfach weg, sondern an einem anderen Ort – nämlich in den Pharisäer, den Schriftgelehrten und Heriodianer, die bald nach dem ersten Auftreten seinen Tod beschlossen.

Jesus verstand sich oder verstand seine Aufgabe als „Menschensohn“, die er wie folgt definiert:

Drei Tage

Ob mit diesen Männer Juden oder selbstgefällige Christen gemeint sind, scheint mir einerlei. Ich denke, sie sind Projektion des Bösen eines jeden Menschen.

Auch denke ich, dass es dem Evangelisten Markus weniger um den Gottesknecht Deuterojesajas geht sondern eher um die Entfaltung des Belials, dem Satans, der offenbar genau mit Hanna beginnt. „ich bin keine Tochter Belials“ (I. Sam. 1,9), aber ihr Sohn nicht Samuel aber Saul hatte einen bösen Geist. Dieses Problem entfaltet nun Markus. Denn es ist der Geist Gottes in Gestalt der Taube, der Liebesgöttin, die Jesus in die Wüste bringt, wo er Satan in vierzig Tage und Nächte überwindet. Nun als erster Messias des Neuen Testaments – durch die Taufe sind wir ja alle Gesalbte Gottes. Königinnen und Könige der Welt. Nur sollten wir uns auch entsprechend benehmen. Nicht egoistische Ausplünderung und Zerstörung sondern gedeihlicher und fürsorglicher Umgang mit unserer Umgebung – und um seine Autorität zu legitimieren, bezieht er sich nicht auf David sondern auf jemanden, den David „Herr“ nannte“. Das kann Gott selber sein oder eben Saul als erster König Israels.

Literaturhinweise

  1. Irmtraud Fischer, Die Erzeltern Israels“, S. 90
  2. Reinhard Müller Eli/Eliden“ in Bibellexikon, 10.10.2017
  3. Konkordanz, S. 1652 ähnlich lautende Namen, die mit Ajin beginnen nur noch von Ulla in 1. Chr. 7,39; Alwah (I. Mose 36,40) und Alwan (I. Mose 36,23). Elia von Elijahu (mein Gott ist Jahwe) und Elisa werden mit Alef geschrieben
  4. Hier ist wörtlich vom „Tempel Jahwes“ die Rede. So sass Eli noch vor dem Tempel (V. 9). In I. Samuel 2,22 tun die Frauen aber Dienst vor dem „Zelt der Begegnung“. D.h. hier besann sich der Redaktor, dass es vor dem Tempel Jerusalems gar keinen Tempel für Jahwe geben darf und setzt der exilisch-nachexilischen Ideologie entsprechend „Zelt der Begegnung“.
  5. Vgl. 1. Samuel 2,20
  6. Vgl. meine Interpretation zu I. Mose 18 „Der Schrecken der Verheissung“
  7. Als meine Tochter als 7jährige von ihrem Onkel, Anhänger einer Freikirche, eine Kinderbibel erhielt, blätterte sie diese kurz durch, schmiss das Buch in eine Ecke und meinte: „Das ist aber ein ganz doofes Buch, da kommen ja nur Buben auf die Welt!“ Ich antwortete ihr: „Genau, das meine ich ja“.
  8. 1. Samuel in „bibelwissenschaft.de“; William Wooldridge Fereday, Samuel – der Mann Gottes
  9. Thomas Staubli, das Image der Nomaden, S. ? (mind. 2x), Zwicki
  10. Barbara Schmitz, Geschichte Israels, 2. Auflage, S. ?.
  11. Hamilton Smith, „Samuel, der Prophet“ in Bibelkommentare.de
  12. Julian Morgenstern, Fire upon the Altar; Thomas Staubli, das Image der Nomaden
  13. so etwa Wolfgang Zwickel, der salomonische Tempel, S. 107
  14. Ernst Kutsch, Salbung als Rechtsakt im Alten Testament und im Alten Orient, S. 36; vgl. Thomas Staubli, das Image der Nomaden, S. 203
  15. Dorothea Forstner, Renate Becker, Lexikon christlicher Symbole, S. 229; Horst Balz/Gerhard Schneider (Herausgeber) zu „peristera“, Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, III Spalte 185. Vgl. auch Othmar Keel, „Das Recht der Bilder gesehen zu werden“, S. 165
  16. Auf Facebook sieht man immer wieder Bilder, wie Tiere sich in Plastik verstricken und von Menschen gerettet werden. – diese Videos poste ich meistens, um „meinen Freunden zu zeigen“ – ein erhebendes Gefühl! Aber wie viele Tiere gibt es, die sich in unserem Mühl verstricken und nicht mehr herauskommen und erbärmlich sterben?

Bildnachweis

  • Sonnengöttin nachbearbeitet aus wikipedia "Eflantun Pinar, hethitische Quellheiligtum

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